Texte von Raimund Girke

Farbe als Materie, die greifbar und sichtbar ist.

Farbe nicht als Hinweis auf etwas, sondern als Vorhandenes.

Farbe, die in Nuancen sich verändert und zu erfahren ist im kaum

Sichtbaren im gerade noch Tastbaren.

Farbe als etwas Ruhendes und Schweigendes.

 

In: Geplante Malerei (Kat.), Westfälischer Kunstverein, Münster 1974

Farbe befindet sich ununterbrochen in fluktuierender Bewegung und enthält

latent immer auch die Gegenfarbe. Hell ist ohne Dunkel, Kalt ohne Warm,

Lebendig ohne Ruhig, Schwer ohne Leicht nicht zu denken. Die Potentiellen

Veränderungen, die in der Farbe mitschwingen, versetzen die Farbfelder in

Spannung. Farbenergien, die sich in den verschiedenen Zonen, Strömen und

Feldern des Bildes finden, sind wesentlich mitbestimmend für die Intensität

von Malerei.

 

Köln, d. 21.11.94

Farbe und Licht

 

Hell und Dunkel,

Tag und Nacht,

Nacht und Tag,

unaufhörliche,

kaum erkennbare

Bewegung.

Veränderung

im Fluss des Lichts,

im Steigen und Fallen

des Dunkels

und des Lichts,

der Nacht und des Tags,

Erfahren von Zeit.

 

13.12.94

Farbe,

die zwischen Weiss und Schwarz sich erstreckt,

die die Skala des Graus durchläuft

und die reinen Farben berührt,

Farbe,

die sich zwischen Warm und Kalt bewegt,

die Ruhe vermittelt ohne die Bewegung auszuschliessen

und zwischen Stille und Lärm sich entfaltet.

 

Tag und Nacht

das Grau der Luft,

Dämmerungen,

aufsteigendes,

schwindendes Licht.

 

Köln, d. 12.4.1987 _ In: Gegenstand: Malerei (Kat.), Neue Galerie, Staatliche und Städtische Kunstsammlungen Kassel, Schöne Aussicht 1, Kassel 1987

Zu meinen Bildern

malerei ist nicht dazu da, seelische zustände oder erlebnisse zu registrieren, malerei ist möglichst objektive gestaltung mit bildnerischen mitteln. mit anderen worten: es gilt alles verschwommene und unklare aus der malerei zu verbannen und klarheit und ordnung zu schaffen.

 

die gestaltungsmittel der malerei werden auf zulässiges minimum reduziert, um ein scharfgeschnittenes gebilde entstehen zu lassen, das trotz der transparenz seiner gestaltung geheimnis birgt. erst in der reduktion auf weniges wird man dem einzelteil gerecht und gibt ihm die möglichkeit, sich in seiner ganzen kraft zu entfalten.

 

vielfarbigkeit lässt die farbe nicht zur wirkung kommen, es besteht ständige konkurrenz. in der beschränkung auf eine farbe kommt diese zur vollen ausstrahlung seiner intensität. die hellste farbe, die strahlendste und intensivste farbe ist das weiss. weiss ist die königin der farben; denn die farben sind „taten des lichts“ (goethe) und weiss ist die farbe, die dem licht am nächsten ist. schwarz und grau steigern das weiss, sie tragen es und spielen nur eine untergeordnete, dienende rolle. sie modulieren das weiss in feinsten nuancen und bringen es zum schwingen, sie vermitteln ihm über den ganzen bildbereich hin eine kontinuierliche bewegung und damit leben.

 

In: Das einfache das schwer zu machen ist (Kat.), Galerie Adam Seide, Hannover 1960

Ich will in meinen weissen Bildern den Bildraum nicht fixieren, sondern das Bild in ein Stadium führen, das über die Bewegung in der Fläche hinaus die unbegrenzte räumliche Bewegung ermöglicht. Diese beruht auf dem feinnuancierten, an- und abschwellenden Weiss.

 

Das Weiss führt die schnelle Bewegung der dicht auf- und nebeneinandergesetzten Strukturschichten in eine grosse, ruhige, immer wirkende Bewegung über, die ohne Anfang und ohne Ende ist. Das Weiss entzieht sich jeder Festlegung, es scheint sich ständig auszudehnen und zu verändern. Es ist Ruhe und Bewegung zugleich, ist grenzenlos und nimmt dem

Bild seinen materiellen Zustand. Die weisse Farbschicht bleibt aufgrund ihrer Entstehungsweise trotz ihrer Dichte leicht und transparent und fördert eine kontinuierliche Fluktuation im Bild.

 

Nicht Einengung und Starrheit, sondern Weite, Freiheit und Beweglichkeit sind das Ziel.

 

In: Europäische Avantgarde (Kat.), Galerie d, Frankfurt am Main 1963

farbe

in ihrer sinnlichen erfahrbarkeit

als zu tastende substanz

oder fast körperlose lasur,

in einem unermesslichen reichtum

von unterschiedlichen intensitäten,

in einer nicht überschaubaren vielzahl

von überlagerungen

und durchdringungen,

bewegt hingeschrieben

oder ruhig gesetzt,

m a l e r e i

 

In: Aquarelle (Kat.), Kasseler Kunstverein, Kassel 1984/85